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Erfahrungsberichte

Große Schwester von Drillingen berichtet…

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„Hi, ich bin Marion und ich habe drei Schwestern.“„Wow, und wie alt sind die?“ „Fünfzehn.“ Pause, ein fragender Blick: „Alle?“. „Ja, alle“. Und dann geht die Fragerei erst richtig los.. Seit knapp fünfzehn Jahren bekomme ich immer wieder dieselben Fragen, immer wieder dieselben Reaktionen zu hören.

P1160103Ich bin Marion, 19, und die große Schwester von Drillingen. „Wie ist das?“, ist eine der häufigsten Fragen, die direkt nach der großen Verkündung kommen. Ja, wie ist das? Schwierig, dass in eine Smalltalk-Antwort zu quetschen. Meistens antworte ich: „Ich kenne es kaum anders“, um das Thema zu beenden. Für alle, die es genauer wissen wollen, versuche ich es hier einmal zusammen zu fassen.
Meine Schwestern kamen auf die Welt, da war ich knapp vier Jahre alt. Ich habe kaum Erinnerungen an die erste Zeit, die meine Schwestern aufgrund der Frühgeburt im Krankenhaus verbracht haben und in der sie um ihr Leben kämpfen mussten. Nur ein paar vereinzelte Bilder sehe ich noch: das Karussell im Wartebereich der Klinik und mich vor einer Glaswand, hinter der meine Mama mit einer meiner Schwestern sitzt. Mir wird oft erzählt, dass ich als kleines Mädchen in jedem Wartezimmer und bei allen Leuten gesagt hätte: „Ich habe Drillinge und die hat keiner“. Scheinbar war ich sehr stolz und das bin ich auch heute noch.

Von der krassen Umstellung vom Einzelkind zum Geschwisterkind von drei, natürlich sehr fordernden kleinen Kindern, kann ich mich an nichts Negatives erinnern. Es stimmt schon, ich habe die Dienstage bei meiner Oma im Ort, die Mittwoche bei meiner Tante und meiner 6 Monate älteren Cousine im Ort und die Donnerstage bei meinen anderen Großeltern, die eine halbe Stunde von uns entfernt wohnen, verbracht. Beklagen würde ich mich darüber niemals. Ich hatte nie (abgesehen von Wutanfall-Momenten) das Gefühl, dass meine Eltern zu wenig Zeit für mich hatten. Stattdessen habe ich neben der Zeit mit ihnen auch viel Zeit mit anderen Familienmitgliedern verbracht, die ich für nichts eintauschen würde, denn sie hat mir eine enge Bindung auch zu ihnen geschenkt.

Eine Sache, über die ich mich ebenfalls nicht beschweren kann, sind die beiden Familienkuren, auf die wir fahren durften. Oder die Tatsache, dass ich immer ausreichend Spielkameraden hatte, die in früheren Zeiten auch noch recht gut auf mich gehört haben?, die Familienhelfer, die uns die Krankenkasse ermöglicht hat und die wir alle sehr liebgewonnen hatten oder die Drillingstreffen, auf die ich ihretwegen gekommen bin. Ich war davon so beeindruckt, dass ich mir eine Zeit lang gewünscht habe, auch Mutter von Drillingen zu werden.

Ein Drilling selbst, wollte ich nie sein. Obwohl ich durchaus ein paar Vorteile erkenne: die Aufmerksamkeit an Geburtstagen würde nicht mir allein zufallen, die Party könnte man zusammen mit mehr Leuten schmeißen, was die Wahrscheinlichkeit für gute Stimmung mindestens verdoppeln würde (davon lassen sich meine Schwestern bisher nicht überzeugen) und die Flötenlehrerin erkennt im Gruppenunterricht auch nur ein Drittel der Fehler. Und natürlich haben die drei eine andere und teilweise stärkere Bindung untereinander als zu mir, was zum Beispiel schon oft zur Hotelzimmeraufteilung der Drillinge einerseits und „der Großen“ andererseits geführt hat. Trotzdem bin ich lieber das zusätzliche Geschwisterkind, die Eins aus 1+3, wie meine Tante uns manchmal nennt. Schon früher als kleines Kind, aber auch jetzt als junge Erwachsene finde ich es super interessant,

Gedankengänge meiner Eltern mitzubekommen, die andere ohne Mehrlinge nicht haben, die mich aber auch nicht direkt betreffen. Bestes Beispiel: Trennt man die Kinder im KiGa und der Schule? Eine unserer drei wurde ein Jahr später eingeschult und hat zudem einen Kindergarten mit extra Förderprogrammen besucht. Diese Erfahrung, auch wenn ich sie nur als Angehöriger mitbekommen habe, hat mich im Nachhinein vermutlich Toleranz gelehrt und die Einsicht, dass der gerade Weg, den ich beispielsweise gegangen bin, nicht immer und für jeden der Beste ist.
Mittlerweile sind „die Kloana“, wie meine Großeltern die Drillinge auf gut bayrisch nennen, alles andere als klein.

P1160103Tatsächlich sind sie alle größer als ich und mitten in der Pubertät. Das bringt einiges an Konfliktpotenzial mit sich, aber – wer hätte es gedacht – auch ein paar gute Seiten hervor. Niemals, wirklich niemals, hätte ich gedacht, dass ich mich mal am munteren Kleidertauschen meiner Schwestern beteiligen würde. Es ist einer der größten Streitpunkte unter den Dreien, wer welche Klamotten zu der schicken Veranstaltung tragen darf, warum die ausgeliehenen Dinge nicht von allein in die Wäsche wandern und so weiter. Ich werde mich hüten meine Klamotten in den Teufelskreis zu bringen, denn sobald etwas mal von einer getragen wurde, kann ich sicher sein, dass es den Weg in meinen Kleiderschrank nicht mehr findet und für immer verschollen ist.

Aber einige Neukäufe stehen mittlerweile tatsächlich unter dem Label „gehört uns allen“. Nicht, dass ich eines dieser Teile bisher getragen hätte, aber die Option ist da und das ist mehr, als ich mir früher hätte vorstellen können.

Wie ist es also große Schwester von Drillingen zu sein? Interessant, fordernd, lehrend, schön, anstrengend, lustig – alles zur gleichen Zeit. Aber eben auch so normal für mich, dass ich die Hälfte der interessanten Details vermutlich vergessen habe zu erwähnen, weil sie mir so natürlich vorkommen. Eigentlich kann ich nur dem lieben Gott für dieses Geschenk danken und gespannt auf die Zukunft sein, denn ich bin sicher, dass auch da noch einiges auf uns zu kommt. Und natürlich allen Mehrlingseltern mit älteren Geschwisterkind(ern) sagen, dass Geschwisterkinder sich nicht abgeschoben fühlen, sondern spätestens im Nachhinein sehr dankbar für die gemeinsame Zeit mit den Omas, Opas, Paten etc. sind!

Marion Höflmair, Bayern